Dienstag, 12. November 2013

Von Zauberlehrlingen, Meerjungfrauen und Weltrettern: Das "Fantasy Final" 2013

Es ist Sonntag, der 13. Oktober, kurz nach halb drei. Die Frankfurter Buchmesse neigt sich schon dem Ende zu, doch für die Cosplay-Fans - und viele neugierige Messebesucher - beginnt jetzt erst das Highlight: Das Finale der 7. Deutschen Cosplay-Meisterschaft (DCM). Die 2000 Stühle im Saal "Harmonie" sind wie jedes Jahr voll besetzt, draußen in der Cosplay Corner wird das Bühnengeschehen auf Monitoren übertragen. Durchs Programm führen Convention-Liebling Max Improving, die schon die Vorentscheide souverän moderierte, und DCM-Urgestein Matthias Wieland.

Bereits am Vortag waren die Finalteilnehmer angereist, um ihre von Kopf bis Fuß selbstgenähten und -gebastelten Kostüme der Jury zu präsentieren. (Lest hier mehr über die Bewertung bei der DCM.) Am Samstagabend waren alle zum Essen beim japanischen Generalkonsul, Herrn Hideyuki Sakamoto, eingeladen. Dieser zeigt sich in seinem Grußwort beeindruckt von der Arbeit, die sich die Cosplayer mit ihren Kostümen gemacht haben: "Man braucht Mühe, um zu lieben!"


Auch wenn die Kostüme bei der Cosplay-Meisterschaft das ganze Reich der Popkultur abbilden - vom japanischen Videospiel über die britische TV-Serie bis zum amerikanischen Cartoon ist alles dabei - die traditionelle Verbundenheit mit Japan ist nicht zu übersehen: Nicht nur, dass der Hauptgewinn - eine Reise nach Tokyo - wie jedes Jahr von Japan Airlines gestiftet wird. Zur Eröffnung der Show gibt die Gruppe Katana aus Frankfurt eine Kendo-Vorführung auf der großen Bühne. In einem stimmgewaltigen Schlagabtausch werden die Grundzüge der Samurai-Kampfkunst illustriert, unter Anfeuerungsrufen des Publikums: Im Training darf der kleinste Schwertkämpfer (1. Kyu) den Erfahrendsten (6. Dan) verdreschen. Dafür wird er mit tosendem Applaus belohnt.


"Die Aufregung steigt jetzt", gibt Dorothea Gouky zu, die mit 25 anderen Cosplayern hinter der Bühne auf ihren Auftritt wartet. "Aber die Atmosphäre ist hier auch einfach super. Auf die anderen Teilnehmer freue ich mich immer am meisten!"

Dann ist es endlich soweit: Die Finalisten dürfen nun auch das Publikum davon überzeugen, dass sich ihre Mühe gelohnt hat und sie zu den besten Cosplayern Deutschlands zählen. DCM-Veteranin Christina Chiko-chan eröffnet wieder den Wettbewerb: Diesmal mit einer harmonischen Playback-Choreografie als Alchemistin Totooria aus der süßen Atelier-Videospielreihe. Danach erwartet das Publikum eine Runde Lachmuskel-Training: Anna katrinkleeblatt hat als Alice eine unheimliche Begegnung mit Ponies im Wunderland, und Kobato (dargeboten von Nadine nambnb) leidet unter dem Wutanfall ihres kleinen Hundes.


Wie noch oft an diesem Nachmittag, wechseln sich Comedy und Drama nahtlos ab. Stephanie Symphonia spielt die Rolle der Zauberschülerin Lillet Blan (aus dem Videospiel GrimGrimoire) mit großer Hingabe, unterstützt von einer realistischen Kulisse, für die sie eine komplette Wohnzimmereinrichtung mitgebracht hat! Mit wachsender Verzweiflung sucht Stephanie in ihrer Studierstube - ausgestattet mit geheimnisvoll glimmenden Artefakten und Büchern in den Regalen - nach der Beschwörungsformel, die sie das Spiel gewinnen lässt. Schließlich zieht sie das rettende Zauberbuch aus einem Geheimfach und setzt ihre beste Magie ein, doch der Ausgang der Geschichte bleibt für den Zuschauer ungewiss. Für die wohl ergreifendste Darbietung des Wettbewerbs gibt es kräftigen Applaus, feuchte Augen und vor Staunen offene Münder.

"Wenn ich das jetzt vergleiche mit 2007 oder 2008, ist das Niveau unglaublich gestiegen", meint Chiko-chan. "Letztes Jahr war schon ein sehr sehr hohes Niveau, das dieses Jahr tatsächlich nochmal gestiegen ist. Nicht nur bei den Kostümen, sondern tatsächlich auch bei den Requisiten, die viel detailreicher ausgearbeitet sind und wirklich teilweise Ausmaße annehmen... Das ist schon sehr beeindruckend, was im Laufe der Jahre passiert ist." Der Trend zu aufwändigen Kulissen, der in den letzten Jahren zu beobachten war, setzt sich fort: Diesmal haben fast alle Cosplayer ihre eigenen Bauten oder große Props mitgebracht, um ihre Performance aufzupeppen. Da werden Schwerter geschwungen und Glaskugeln befragt, Türen aufgerissen und Pappkameraden bekämpft. Eine echte Herausforderung, wenn man bedenkt, dass für jeden Auftritt nur je eine Minute Auf- und Abbauzeit zur Verfügung steht - bei Überziehung droht Punktabzug!

An diesem Nachmittag läuft das Programm aber fast reibungslos ab, dafür sorgen neben der unterhaltsamen Moderation (inklusive Kostümwechsel der Moderatoren!) auch die schönen Intro-Videos, in denen jeder Finalist sich kurz vorstellt und sein Kostüm präsentiert, das er zum Vorentscheid getragen hat. Einige der Videos erhalten sogar Szenenapplaus.

Sehr zur Freude der Zuschauer haben die Cosplayer nicht nur viel Arbeit in ihre Kostüme gesteckt, sondern sich auch Gedanken über die Präsentation gemacht. Nicht wenige beziehen sogar das Publikum in ihre Auftritte ein: Der selbstverliebte Edward Elric (dargeboten von Maria Englishman) hat seinen eigenen Fanclub mitgebracht, und der 10. Doktor (Dorothea / Gouky) sprintet zur routinemäßigen Weltrettung durch die Zuschauerreihen auf die Bühne.

Das Online-Strategiespiel League of Legends bietet eine Steilvorlage für die Meta-Gags von Janine Yumee und Jessica Revy, deren Charaktere zu heroischen Taten aufbrechen, aber unter der Unfähigkeit ihrer Spieler zu leiden haben. Am Ende verlässt der "Noob" Janine an Krücken die Bühne, und Jessica zerdeppert in einem Wutanfall ihren PC - zu sehen in der Videoprojektion, die hier geschickt genutzt wurde, um vom Bühnengeschehen ins Real Life umzuschalten. Als flotte Meerjungfrau, die sich auf Händen robbend vor ihren Feinden in Sicherheit zu bringen sucht, erobert Jessica zuvor die Herzen des Publikums - und entlockt den Juroren einen schallenden Lachanfall. "Bei der Kostümbewertung wurd ich auf so'n Bollerwagen gelegt", erzählt die Cosplayerin lachend, "und dann haben die mich so reingefahren, weil ich in dem Kostüm ja nicht laufen konnte!"


Als am Ende alle 26 Teilnehmer noch einmal zusammen auf der Bühne stehen, hat Jessica den schuppigen Fischschwanz gegen eine bequeme Jogginghose getauscht, aber sonst strahlen die Kostüme in ihrer Farbenpracht nur so um die Wette. Moderatorin Max dankt Cosplayern und Organisatoren für ihr Engagement und gesteht: "Es ist schon ein bisschen rührend, euch hier alle so zu sehen... Vielen Dank, dass ihr uns so gut unterhalten habt!"

Matthias und Max moderieren, die Cosplaymeisterin 2011 überreicht einen gewichtigen Preis

Die Siegerehrung ist für die Teilnehmer der spannendste Moment: "Ich hab so meine Favoriten, aber es gab bis jetzt jedes Jahr Überraschungen im Finale, gerade was die Platzierungen angeht!" meint Chiko-chan. Umso größer ist die Freude bei den Gewinnern. Maria (als Edward Elric), die für ihren fünften Platz mit einem großen Berg Bastelmaterial von myCostumes belohnt wird, ist baff: "Es war irgendwie so... unrealistisch! Ich hab nicht dran geglaubt, weil die andern so gut waren, und die Konkurrenz echt so stark war, ja, ich bin so froh!" Die Cosplayer beglückwünschen sich gegenseitig - so entpuppt sich Christina Laverna (4. Platz) als großer Doctor Who-Fan und schwärmt für Dorothea, die als 10. Doktor mit ihrer "Banane rückwärts" und einer blauen Telefonzelle nicht nur die Welt gerettet, sondern auch den 3. Platz und ein dickes Comicpaket eingeheimst hat.


Die gelernte Herrenschneiderin hat viele Stunden in die Recherche ihres Anzugs investiert: "Der Doktor ist ein sehr hektischer Charakter. Der sprintet von einer Ecke in die nächste, und da mal ein Referenzbild zu finden, wo er auch ganz drauf ist, das nicht verschwommen ist, ist ein bisschen schwierig", erklärt Dorothea. Da Doctor Who eine Realserie ist, trägt der Protagonist unzählige Kombinationen von Anzügen, Hemden und "zwölf verschiedene Krawatten, das war schwer, mir da eine auszusuchen." Am Ende gewann das Outfit, das der Doktor in Doros zwei Lieblingsfolgen trägt.

Auch Katharina mondhase, die nach 2008 erneut Vizemeisterin wird, freut sich, dass sie mit ihrer Kostümwahl am Ende richtig lag: "Weil's halt so ein Kostüm ist, wo jeder sagt, das kannst du nicht real umsetzen, das geht einfach nicht." Den Kimono von Haydée (aus dem Anime Gankutsuou: Der Graf von Monte Christo) hat sie in liebevoller Kleinarbeit mit einem fantastischen Muster bemalt. Dabei handelt es sich um ein Gemälde, das auf die Kleidung projiziert wurde und das man erst im Ganzen sieht, wenn die Cosplayerin sich in Pose wirft - "das Bemalen hat schon zwei Monate gedauert", erzählt Katharina. "Alle haben gesagt, was machst du da, sowas zur DCM, das geht doch nie im Leben, wie soll die Jury das bewerten. Geht halt doch!"

Die Plätze 1 bis 5 auf einen Blick!

Der Titel "Deutsche Cosplaymeisterin 2013" geht aber an Stephanie / Symphonia, die mit ihrer dramatischen Performance in authentischer Kulisse überzeugen konnte. Von allen Gewinnern hat sie wohl die meiste Zeit in ihr Kostüm und den Auftritt gesteckt. Bereits im April konnte sie sich auf der Animuc qualifizieren und hat sofort wieder zur Nadel gegriffen: Die Lochstickereien an Bloomers, Kragen und Manschetten ihres Zaubermantels sind sämtlich von Hand gearbeitet, 61 Arbeitsstunden stecken allein darin. "Überall wo sie hinkam, hat sie gestickt! Ich hätt's schon zig-mal hingeschmissen", erzählt Mama Ingrid, die Stephanie zum Finale nach Frankfurt begleitet hat.

Bei der Entstehung des Kostüms hat die ganze Familie mitgefiebert - und bei der Requisite auch tatkräftig mitgeholfen: "Ich muss sagen, es war ne schöne Zeit", schwärmt die Mama, "wir haben viel zusammen gebastelt, viele Telefongespräche geführt, und es war schön! Ich werd's unendlich vermissen." Auch Schwester Melanie ist mit von der Partie: "Wir waren ja jetzt schon öfter hier, ist ja quasi schon Familientradition, die Familie ist aus ganz Deutschland angereist. Wir treffen uns traditionell immer hier zur DCM." Beide sind "natürlich total stolz" auf die einzige Cosplayerin in der Familie. Mit so viel Liebe und Unterstützung kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen!

Aber zum Cosplay gehört auch die Liebe und Begeisterung fürs Fandom... oder, Steph? "Ich werde mich jetzt aus meinem verschwitzten Kostüm schälen, an der Autobahn einen riesigen Burger bestellen, und danach die ganze Nacht Pokémon spielen und Sekt trinken", lacht die erschöpfte Gewinnerin. "Jetzt endlich. Wär das neue Spiel früher rausgekommen, wäre es mit dem Kostüm und der Platzierung nichts geworden!" Wir hoffen, es hat geschmeckt, und die Monster gedeihen prächtig - bis zur nächsten Cosplay-Saison!


Das war die DCM 2013. Wir hoffen, ihr hattet viel Spaß mit den Wettbewerben und unserer Berichterstattung - wir sehen uns im nächsten Jahr wieder, dann auf unserer neuen Homepage!

Alle Gewinner und Preise im Überblick findet ihr in unserem letzten Eintrag. Wenn ihr euch das ganze DCM-Finale noch einmal ansehen wollt, besucht unseren Youtube-Channel.

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